Sonntag, 11. September 2016

Der Pocker-Spieler und ich .....

Der Spieler aus dem Dostoievski-Roman, wie vielen anderen Spieler und Raucher und Drogen- od. Fressenabhängigen hatte eine Leidenschaft. Viele Leute die eine ganz enge Beziehung mit ihre Leidenschaft haben - und ich meine nun die "schlechten" Leidenschaften des Lebens, die uns ruinieren oder zum Tod führen - nehmen sich ganz brav vor, damit aufzuhören. Es gibt in ihrem Wortschatz immer wieder dies zu hören: "Ab morgen höre ich damit auf! Guck mich an, ich bin bankrot!" oder "Guck mich an, ich war nah zum Sterben! Schluß, ab morgen wird alles anders!" Und bei den meisten wird es nie anders ..... 
Und jetzt zu mir und eine von meinen Leidenschaften: 
Ehrlich gesagt, ich weiss nicht genau, unter welchem Name ich diese Leidenschaft nennen soll. Weil es geht nicht nur um die Bergen. Es geht nicht nur um Abenteuer. Es geht um ..... Rausch, um ganz spontanen Rausch! Abenteuerrausch! Und um Neugier, einfach so .... noch einen Schritt, noch einen Tall, noch ein bisschen nach links, rechts, oben oder so .....
Die rumänischen Karpaten habe ich meistens alleine "geraucht". Manche Expeditionen hätten mich das Leben gekostet (Fagarash-Kette im August 2005 mit Zelt unterwegs). Als das Gefahr da war, sagte ich mir: "Nie wieder alleine in den Bergen!"
In den Himalaya war ich zum ersten Mal von Dezember 2008 bis Jänner 2009. Der lokalen Bergführer hat mich nach zwei und halb Wochen unterwegs da gelassen und war verschwunden. Ich war Mitte im Niemandsland und musste raus.
Dezember 2010-Jänner 2011 bin ich ganz alleine wieder in den Himalaya gewesen. Ich dachte: "Lieber alleine, als wieder einen lokalen Bergführer zu suchen, der einmal "eine kranke Mutter hat" und verschwindet". Es war absolut faszinierend und teuflisch, aber .... es war ICH! 
2012-2013 habe ich die organisierten Bergläufen in den Karpaten genoßen. Es ging nie um Podium und Pokale. Es war der Schutz. Ich war meistens auch alleine unterwegs während den 20 oder 50 km-Strecke, aber es waren doch andere Konkurrenten da und die Voluntären bei der Labstationen usw. Ich hatte mich gefreut, da ich doch eine Lösung gefunden hatte. Durch die Bergen zu bummeln, alleine und gleichzeitig nicht alleine. Es war gut, es war wunderschön, ich war mit Körper und Seele dabei. 
Heute ist mein Geburtstag. Den 49.
Bevor ich die Geschichte starte, eins will ich klarstellen: Ich schwöre, ich wollte nicht, dass es so wird!!! Sonst kann ich nichts anderes schwören :-) Das heutige Abenteuer war sehr ähnlich mit der Besteigung der Zugspitze, als ich von Österreich nach Deutschland überquerte, im Juli 2002.
50 Km von mir liegt der höchste Berg der Niederösterreich, der Ötscher. Ich war dort zwei Mal. Das 1. Mal wußte ich nicht mal dass 4 Rippen gebrochen waren. Es war eine sehr, sehr komische Zeit damals, Ende Februar. Nach einer Lungenentzündung hatte ich angefangen frische Luft zu schnappen. Ich konnte gerade 2-3 Km langsam gehen und mit Schutz einatmen. Ich war wieder auf meinen Beinen, nachdem ich für einigen Wochen das Gefühl hatte, ich werde sterben. Manchmal wünschte ich mir zu sterben, aber dafür braucht man viel Mut und so mutig bin ich nicht. 
Ich hatte starken Schmerzen, ich ahnte, einen Bruch ist da, im Brustkorb .... aber ich musste raus. Ich fuhr nach Lackenhof, am Füße des Ötschers. Selbst Autofahren war schmerzhaft, da die Rippen genau auf der rechte Seite sich gebrochen hatten. Dort habe ich geweint und die Tränen verschwanden im Schnee ....
Im April war ich wieder dort, aber diesmal auf dem Berg. Kein Mensch zu sehen, Schnee und starker Wind. Meistens Sonnig, starker Aprilsonne, aber trotzdem org durch fehlendes Leben auf dem ganzen Berg. Der Ruf des Berges war stärker und ich ging hoch und höher bis ich die Waldzöne unter meinen Füsse hatte und befand mich auf dem schmalen Pfad des Berges, im Schnee. Der Vernunft kam. Oder die Angst. Oder beiden plus Eis auf dem Weg und mit meinen Laufschuhe hätte ich Null Chancen!
Ich war gerade glücklig, ich hatte die Prüfung bei Ironman University mit 97% geschafft und das gab mir viel Hoffnung. In mir selbst zuerst.
Als ich gerade dachte, etwa 30-40 Minunten trennen mich noch vom Gipfel, war keinen Pfad mehr da zu sehen und der Bergwand verlief abrupt abwärts. Alles Schnee aufwärts. Kalt, sehr windig. Ich blieb einigen Minuten stehen und ging zurück. Heute, 5 Monate später, habe ich wieder die Stelle erreicht. Und tatsächlich nach 30 Minuten war ich auf dem Gipfel - teilweise im Rennentempo.
Heute dachte ich, ich gehe so kurz bis zum Gipfel - es sind ja nur etwa 6 km von unten, auf die kürzeste Strecke -, bisschen Cross-Training und komme zurück. In 4-5 Stunden wäre die Geschichte hinter mir. Ha ..... dachte ich mir, als ich mich kaum kenne .....
In der Früh um 7 war das Land total im Nebel versteckt. Wow .... dachte ich, es wird sonnig heute!
Um 10 fuhr ich weg.
In 50 Minuten war ich heil angekommen, habe geparkt und .... ich ging los. Leichtathletik. Noch keinen Rausch, noch keine Gedanken. Einfach .... etwas anderes an meinem Geburtstag. Ich wollte eigentlich der Großglockner besteigen, der höchsten Gipfel Österreichs, aber dafür braucht man ja schon mehr Geld als nur einen Sprit! So Ötscher sollte genug sein, ich bin sowieso ausser Training.
Die ersten Schritte waren OK ...
Dann aber habe ich mich verloren und bummelte hin und her, laufend, durch den Wald, für 5 Km und etwa 45 Minuten! Irgendwas Unerklärliches führte mich immer wieder ein die Gegenrichtung!!!!! Irre war das!
Als ich dann viele Spinnenwerke entdeckte, war ich sicher, ich bin total falsch .....
 So, lief ich zurück und nahm wieder eine falsche Richtung ..... 
Hm ..... was macht man, wenn man nicht mehr weiss, was los ist? Fotografiert rundherum. Gras, Blumen, Bäume .... egal was ..... Zeit um nachzudenken, Schutzengel rufen ..
Und es kam ein Mann von Nirgendwo .... und ich fragte ihm, wie ich den Gipfel finde :-) Genau wie ich spürte, in die Gegenrichtung ..... 
So, nach etwa 50 Minuten war ich also auf dem richtigen Weg, den ich auch vom April schon kannte ...
Komischerweise war ich vor 50 Minuten genau hier .... warum bin ich links, und nicht rechts gegangen? Keiner wird das erklären können ..... 
Wichtig war, ich war unterwegs ... in etwa zwei Stunden hätte ich den Gipfel erreichen sollen und brav zurück bergab wieder zum Auto gehen, nach Hause kommen, baden, essen, lernen usw ....
Seit zu vielen Jahren durfte ich nun endlich an meinen Geburtstag die ganze Zeit dazu widmen, was mich zum Leben immer wieder bringt .....
Da ich ziemlich spät dran war, waren auf dem Weg keine Menschen am Anfang, ich traf nur 5 Leute, die vom Gipfel kamen. Natürlich, es war ja schon Mittag, 13 Uhr!!
Ich dachte, OK, um 15 Uhr könnte ich oben sein. Genug Zeit, keine Eile ....
Um 14:30 war ich oben. Viele Leute da. Na ja ..... viele .... 20 Leute vielleicht, andere 30 waren fleißig beim Abstieg. Viele ältere Leute dazwischen, chapeau!!
Niederösterreich hat ein großer Vorteil: keine Touristenmasse wie in Salzburgerland oder Oberösterreich, dazu aber erstaunliche Sachen zu entdecken!! 
Alle richtig ausgerüstet. Ich habe keinen Mensch in Sandalen oder Aspfalt-Schuhe gesehen! Alle mit richtigen Bergschuhe. Hinter mir waren 2 Jungs, die so ausgerüstet waren, wie ich, sie waren Bergläufer, also mit Laufschuhen unterwegs. 
Sie haben mich überholt als ich Bilder machte und dann habe ich sie wieder überholt und wir trafen uns auf dem Gipfelplateau wieder.
Der Gipfelplateu ist groß, grosszügig.
Es war sonnig, bissl Wind, ruhig und faszinierend ....
Wie immer, man wird sprachlos und nachdenklich .... dass die Menschheit die Natur zerstört, wenn die Natur  wirklich die einzige Überlebungsquelle auch für uns ist...
Man kann in Bilder nicht mal zehn Prozent des Ganzes übermitteln .....
Ich blieb nicht lange ...... ich weiss nicht wie alles so geworden ist, eigentlich ..... anders als geplant, anders als gedacht ..... 
aber das wäre für mich ein kleinen Zeichen der Normalität ..... meine Normalität (!!!) Dass ich oft irgendwohin gehe und ich weiss wann ich gehe, aber ich weiss nicht, wann und ob ich zurück bin. Dahinter steckt natürlich eine große Lebensgeschichte, die irgendwann mal erzäht wird. Alles hat seine Zeit .... auch wenn manchmal, für manche Dinge, die Zeit zu spät kommt ....
Ich hatte so noch um halben Liter Wasser und zwei Energieriegel dabei. Starke Energieriegel, die ich normalerweise für Ironman-Wettkämpfe auf der Radstrecke anwende. Nach dem Umzug gibt es noch viele kleine Sachen die sich nicht finden lassen, daher habe ich einfach was ich zu erst gefunden habe mitgeschnappt! Und ich muss schon sagen, das gehörte heute zu meine Rettung, weil der Tag verlief ganz verrückt weiter.
Ein bisschen übertrieben heisst es: live or die!
Ich ging bis am Ende des Gipfelplateus und unter meinen Füße eröffnete sich eine neue Welt.
Und als ich sah, das von dort, aus Unterwelt, Leute herabstiegen .... dann war de KLICK! Ich muss herunter und entlang! Warum auf die gleiche Strecke zurückgehen? Das wäre doch zu langweilig für mich, oder?! Diese Insekt will auch nach unten ... ich warum nicht?!
Was ich aber in dem Moment nicht wusste und auch nicht ahnte war, dass die Strecke "der Rauer Kamm" war! Und wie ich keine Ahnung hatte, was "Kamm" bedeutet, wäre sowieso Wurst!!!!
Ein Kamm besteigt man normalerweise von unten nach oben. Es ist nicht so gefährlich, da oft sind die Wände vertikal und die abzusteigen ist einfach unvernünftig und viel gefährlicher. 
Kein Wunder, dass ich heute hinunter kein anderen Mensch gesehen habe, alle kamen von unten nach oben und pusteten vor Müdigkeit, ich pustete vor Angst und Spannung in allen Muskeln. So viele Dips wie heute, habe ich in den letzen 20 Jahren insgesamt bestimmt nicht gemacht!
Die erste Gruppe die ich getroffen habe sagte mir, keine andere Menschen wären in meiner Richtung unterwegs. Es war 15 Uhr. Die Frau sagte am Ende, dass irgendwo unterwegs eine Rosa-Flasche mit frisches Wasser ist ihr verloren gegangen. Sie bat mich, die Flasche mitzunehmen und versicherte mich, das Wasser ist frisch. Sie hat keine Ahnung, dass ihr Wasser und einfach dass sie es mir gesagt hat, mich gerettet hat! Ich hatte nicht genug Wasser mit und Ötscher bietet leider kein Wasser, wie der Großglockner! Später komme ich zurück auf diese Flasche :-) und ich erkläre, warum mich diese Kleinigkeiten (die Energieriegel und das Zusatz am Wasser) mich gerettet haben!

(es wird fortgesezt, hoffentlich morgen, nun ist schon Mitternacht. Ich weiss, viele Schreibfehler, wird bald berichtigt :-), aber nicht heute!Zwei Tage später: delirium-im-september

P.S.
Ich las gerade als ich wieder Zuhause war .... der Tageshoroskop sagte: "Falls du heute unterwegs bist, erwarten dich Überraschungen. Etwas geht nicht so wie geplannt. Vielleicht der Zug verspätet, das Auto geht kaputt, der Weg ist nicht gerade .... Vorsicht!"
Hm ..... ich fuhr vorsichtig :-) 

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