Montag, am 16. Juli 2018 – Zell am See
"Ich
würde über den heutigen Sonntag gar nicht schreiben. Ich will dieses Buch doch nicht
in einem Trainingstagebuch umwandeln, aber die Ereignisse von heute waren die Metapher
meines aktuellen Lebens. Es war alles so deutlich irgendwie: egal wie tief,
egal wie überraschend, egal wie steil, egal wie schmutzig, egal wie riskant,
der Weg kennt eine einzige Richtung und sie heißt: geradeaus! Und genau wie ich
heute die zwei Situationen überlebt habe, genauso werde ich das Leben
überleben!
Der
Plan für den Tag war gedanklich anders. Ich wollte zum Imbachhorn, ich wollte
spätestens um neun starten. Aber um neun war ich noch im Bett und teilweise
wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Ich pendelte zwischen „lass
mich in Ruhe“ und „mach was aus deinem Leben, Mädel!!“. Schwierig zu erklären,
aber es geht mir so seit (...)
Um
11:25 startete ich beim Kesellfall mein Abenteuer zu Fuß zu den Stauseen. Ich
hatte die Idee, die Strecke als Berglauf zu absolvieren, seit Anfang Juni, als
ich zum ersten Mal die Stauseen besichtigt habe. Und heute kam der Tag dafür.
Angesagt
sind drei und halb Stunden. Ich dachte mir, in weniger als drei Stunden laufe
ich hinaus. Der Pfad fängt schmal und steil nach oben und binnen insgesamt 13
km sind etwa 1.000 m in der Höhe zu absolvieren. Es war sonnig und angenehm
warm. Ich musste bald feststellen, dass ich zwar die kleine Kamera mithatte,
aber keine Speicherkarte. Also, die einzige Möglichkeit war mein Handy für
Fotoaufnahmen im Einsatz zu bringen, was eigentlich keine gute Idee ist, wenn
mein keine mobile Strombank dabeihat.
Das
Segment durch den dunklen, feuchten Tunnel bei etwa 8. Km war nicht spannend.
Es war wie ein Stück von emotionellen Ängsten und Ereignisse meines Lebens der
letzten 3-4 Jahren. Durch einem dunklen, engen, kalten, feuchten Tunnel zu
gehen bringt mir eine Spannung, die mir nicht gefällt. Ich habe das Gefühl
meinen wichtigsten Sinnen zu verlieren und ich weiß nie, was es folgt oder ich
überhaupt wieder ans Licht komme.
Als
ich jetzt, 24 Stunden später, diese Zeilen schreibe, sehe ich das gestrige
Abenteuer als die vollständige Metapher meines (aktuellen) Lebens und das Gefühl,
das Licht am Ende des Tunnels wieder zu begegnen, ist jetzt stärker als
gestern, vorgestern und als letzte Woche.
Die
Strecke durch den Tunnel führte mich wieder heraus nach 3-4 Minuten. Genauso
abrupt wie angefangen hatte, musste ich links durch die Felsenwand biegen. Ein
Glück, ich rannte nicht, ich wäre abrupt ins Leere gestürzt!!
Die
Landschaft, die plötzlich vor meinen Augen lag, war im totalen Kontrast mit dem
Loch, woher ich kam. Ich kam aus dem Schwarz und landete im hellen,
unglaublichen Grün-Türkis des ersten Stausees und darüber hinaus ragte sich
prachtvoll, in seinem lebendigen grün, ein großer, runden, höhen Berg
durchquert durch schmalen, langen, wellenartigen Wasserfällen. Das Aha-Gefühl
war da und gleichzeitig kam die Unverständlichkeit: „Na, bin wieder ins Licht,
aber wohin jetzt?!“
Ich
stand beim Eingang einer Grotte auf einem winzigen stabilen Felsenstück, das sich direkt aus dem Berg hinausragte. Zwei Personen
hätten dort kein Platz gehabt. Links war die Trennung durch den profilierten
Felsen ganz klar, deutlich und fest. Es war unmöglich nach links zu gehen.
Runter stand der Abgrund bis zum Wasser und man hätte sich auf keinem Fall
gewünscht, auf diese Rutsche zu fallen. Rechts kam Wasserfall von ganz oben,
vielleicht 200 m Höhe über mich. Beim ersten Blick schien alles unmöglich und
ich dachte mir sogar, ich bin falsch gelandet. Ich ging nochmal zum Tunnel.
Nein, ich war nichts falsch, durch den Tunnel weiter zu gehen war absolut nicht
möglich, aus Platzmangel. Dorthin verkehren die Pendelbusse und es gab für
Fußgänger keine Möglichkeit mehr. Die Höhe und die Breite des Tunnels war genau
geschnitten, dass gerade ein Bus durchfahren konnte und seitlich war undenkbar
zu passen. Ich musste also die Lösung entdecken. Sie war dort, vor meinen
Augen. Ich musste sie sehen und wahrnehmen.
Also
zurück zu den märchenhaften Farben des Sees und des Berges und des Felsens. Ich
guckte durch das kristalline Wasser des Wasserfalls rechts von mir abrupt nach
unten. Rutschig, steil, nass ….. aber es war ein Felsensteig, der mich zu dem Pfad
weiterführte! Ich sah den schmalen Pfad, dass ich vor dem Tunnel verlasen
musste …. Er schlängelte sich fast unbemerkbar entlang der grünen Bergewand und
verschwand nach der Kurve. Wow! Es war die einzige Option um runter zu kommen!
Ich fühlte sofort, ich muss verdammt viel Mut haben, um den Abstieg überhaupt
zu starten! Die innere Stimme sagte mir: „Wenn du das machst, wenn du der Mut
hast, dieser Abstieg zu starten, dann hast du die Chance, wieder auf dem
normalen Pfad zu treten und deine Reise fortzufahren……“ Ich schwöre
es, genauso kam mir
durch den Kopf!
Wir
sind nie genug vorbereitet für das reale Leben, besonders, wenn wir es
entscheiden, das realen Leben zu testen, statt in einer Ecke zu kriechen und
die Illusion zu haben, das Leben wäre kuschelig und wäre sich nur bei der Größe
unserer Ecke begrenzen! Ich war nicht vorbereitet für diesen abrupten Abstieg
und ich guckte nach unten mit einem leeren, gestressten Magen! Einige Sekunden
lang dachte ich mir, ich kann es nicht tun, die Herausforderung überforderte
mich. Sekundenlang dachte ich mir: „Es kann nicht sein, dass diese die einzige
Möglichkeit ist …… es kann nicht sein, dass ich nur durch diesen Abstieg ich
raus von hier komme und den richtigen Pfad wiederfinde!“
Ich
war so angespannt, soooo angespannt ….. aber es dauerte insgesamt nicht länger
als drei bis fünf Minuten. Ich wusste, aus Erfahrung, die Reise musste
fortgesetzt werden und auf dem Berg sollte sich nicht lange aufhalten,
besonders in gefährlichen Situationen und Stellen. Fortbewegen, bis nicht zu
spät ist. Zurück durch den Tunnel war sicherlich keine Option. Nicht weil ich
nicht „aufgeben“ wollte und unbedingt mein Endziel erreichen wollte, nein! So
ehrgeizig war ich im Grunde nie, mindestens nie bewusst. Ich glaube bei mir
funktioniert es so, dass ich es gar nicht verstehen kann, in der Mitte einer
Strecke oder kurz vor das Ziel alles aufzugeben, nur weil ein Hindernis im Wege
steht. Es geschah mir beim 2. Ironman. Ich hatte niemandem nichts zu beweisen,
ich hatte nichts zu gewinnen oder zu verlieren, ich war 80% in Komazustand,
aber ich bewegte mich weiter, halb gebückt und voll im Tränen …. Noch 4 Km zu
laufen, noch 3 Km zu laufen, noch 2 Km zu laufen, noch 1,5 Km zu laufen, alle
feuerten mich an und durch Tränen ich sagte ununterbrochen: „Ich kann nicht
mehr, ich falle um ….“ Und ich fiel nicht um …. Noch 100 m zu laufen, dann kam
ich ins Ziel und fiel um. Warum entschied ich mich für Ironman-Distanzen
überhaupt? Weil ich die Emotionen diesen Tagen möglichst lange erleben wollte,
darum! Die Faszination des Tages war einfach unwiderstehlich, es war die Droge,
die ich brauchte und es war stark!
In den
Himalayas durfte ich ähnliche Szenen zu erleben und keine Seele war in der höhen
Öde, Ende Dezember, um mich zu finden und zu retten. Woher kommt diese Stärke,
meine Güte?! Überlebungsinstinkt, was sonst?!
Ich
sah mich erneut um, um alle Optionen zu entdecken. Es gaben keine. Es gab nur
eine. Eine einzige. Eine nasse, rutschige, abrupte Option. I fühlte sehr deutlich, dass ich mein ganzen
Mut zusammensetzen musste.
Die
Angst ist nur einen Gedanken.
Die
Angst ist nur einen Gedanken.
Die Angst
ist nur einen Gedanken ……
Die
Intuition flüsterte mir: „Du schaffst es!“
Ich
hörte sie zu.
Vor
lauter Anspannung vergaß ich sogar um Hilfe zu beten und traute mich ins
Wasser, entlang der kalten Felsenwand, nach unten! Jetzt weiß ich, meine
Schutzengel, die mich immer auf die Reisen begleiten, waren dabei. Den ganzen
Tag, aber irgendwie stiller und versteckter als ich gewöhnt war.
Der
Abstieg begann mit pokendem Herzen. Was mich noch aus dem vollständigen
Gleichgewicht meinen Sinnen brachte war auch der Lärm des fallenden Wassers.
Die Kraft des Wassers, die gefährliche Kraft des Wassers entspannt mich nie.
Darüber habe ich in einem vorigen Kapitel des Buches schon ausführlicher
geschrieben. Heute war der Tag, indem ich mit vielen Ängsten zu tun hatte. Und
ich überwand sie alle und ich kam heil ins Ziel.
Nach
wenigen Minuten war ich nicht nur pitschnass, aber erleichtert auf solidem
Boden und rannte tatsächlich zu „meinem Pfad“, obwohl der Pfad sich
bergaufsteigend in einer Kurve wieder verschwand. Es war aber ein Stück davon,
das mir die Erleichterung gab und wahrscheinlich das Vertrauen, dass alles gut
verläuft. Ich hatte das Gefühl, einen gewaltigen Hindernis überwältigt zu
haben. Ich hatte keine Ahnung, was nach der Kurve kam.
Ich „nahm
mein Pfad im Besitz“, hielt an und schaute zurück zu dem schwarzen Loch in den
Felsen, woher ich gerade durch Wasserfall abgestiegen war. Es war alles einfach
so unglaublich. Genauso unglaublich war, dass dort, versteckt in den riesigen
Berg, diesen proportional winzigen dunklen Loch war, welches zu einem langen
Tunnel führte und dort, durch den Berg, jeden Tag Buse voll mit Menschen
verkehrten! Ein unglaubliches Meisterwerk.
Ich
kehrte dem schwarzen Loch den Rücken und schaute geradeaus zu dem Pfad und ging
weiter. Nach der Kurve öffnete sich die steile Landschaft und ich atmete
erleichtert. Dann näherte ich mich zu einem langen Rift, welches von ganz oben
bis ganz unten ins Seewassers sich streckte. Dadurch floss viel und schnell
kristallklares Wasser aus dem herumliegenden Gletschern. Es war wie eine offene Wunde, die der
Körperteil des Berges überquerte, mal sehr tief, mal weniger tief. Ein Rift ist
im Grunde ein Riss, eine Erdspalte. Die Erde ist geprägt von einigen tiefen
Spalten und Afrika scheint am meinst betroffenes Kontinent zu sein. Die
Prozesse dauern allerdings Millionen von Jahren bis die inneren Bewegungen der
Erde plötzlich an die Oberfläche gelangen.
Es
gaben noch Altschneeplatformen und durch den anscheinend langsamen
Schmelzprozess bildeten sie erstaunlich schönen Landschaftsstücken. Mein Handy
hatte nur noch 20% Energie zur Verfügung, ich nahm aber trotzdem einige Bilder.
Als
ich die Bilder aufnahm, war mir noch nicht klar, welche neue Herausforderung
auf mich zukam!
Ich
schaute mich dann, ganz beruhigt, nach einer Stelle, wo ich über den Riss die
Verbindung zu dem verlorenen Pfad wiederfinden konnte. Weil der Pfad war wieder
ganz plötzlich verschwunden, bevor ich sogar merkte. Ich stand also auf einem
Stück Felsen, von Schnee und viel Gestein zugedeckt, ohne zu merken, ich war
auf dem Rand der Spalte eigentlich. Ich nahm zuerst das Gefahr gar nicht wahr,
ich dachte mir, ich kann einfach weiter auf Schnee spazieren gehen und ganz
ruhig auf dem Pfad hinüber eintreten. Ich habe keine Ahnung, wieso ich die
Situation nicht sofort merkte. Ich merkte es erst, ich ich ein drittes Bild
aufnahm. Da zeigte sich eine millimeterdünne Brücke über die Spalte und
darunter ….. war nichts …. Doch, es war die Leere ins schnell fließendes kaltes
Wasser und die Gesteine und Felsenstücke und die Tiefe der Spalte, meine Güte! Ich
nahm es nicht sofort wahr, weil mir so eine Gefahr fremd war oder besser
gesagt, sie kam mir hier total unerwaret!! Ich kannte das Bild solchen Spalten,
die im Winter unter viel Schnee liegen und dadurch tiefen Gletscherspalten bilden,
nicht. Ich wusste wohl, wie eine Gletscherspalte aussieht, ich bin doch in den
Anden über solche eine, in der Höhe von über 5.500 m sogar gesprungen, als wir
damals von der Chimborazo Gipfel den Abstieg marschierten, um 7 Uhr in der
Früh! Aber hier .... hier sah alles anders aus. Bei 5.000 Meter auf dem Gletscher ist alles nur Eisblöcke und die Spalten sich gewaltig und anders, total anders .....
Ich
trit sofort zwei Schritte zurück. Mir war das Gefahr plötzlich bewusst und
suchte wieder nach einer Option. Zwischen mein Teil der Spalte und der anderen
Teil der Spalte, woraus sich der Pfad wieder hinaus ragte, lag das Wasser und
den Riss. Es war nicht sehr tief, vielleicht 3 bis 5 Meter, aber ein Abstieg
darunter schien mir zu gefährlich, alles war brüchig und zu steil,
Verletzungsgefahr war riesig. Dorthin zu fallen oder zu rutschen war kein Spaß
und es war genug, um dir die Knochen zu zerbrechen und nie wieder alleine raus
zu kommen. Wer um Gottes Willen hätte mich dort gefunden und gerettet?
Ich
konnte den Überblick über das Segment wo ich gerade war nicht kriegen. Vor
meinen Füßen war der Schneeblock, dann kam ein leicht erhöhtes Segment und ich
konnte nicht sehen, ob dahinten der festen Boden war oder Schnee oder einfach
die Leere. Ich zog mich mehrere Schritte zurück auf dem Pfad worauf ich kam,
stieg ein paar Meter hoch auf dem Berg, dann kam ich zurück und guckte
sehnsüchtig nach unten zum See, um eine mögliche Überquerungsstelle zu
entdecken. Ich sah sie nicht.
Hätte
ich eine Stelle gesehen, wo ich problemlos in der Spalte hineingehen hätte
können, so hätte ich die Option gehabt. Aber ich fand die Stelle nicht, vor
allem die Stelle wo ich das Wasser gefahrlos überqueren hätte können und wieder
raus aus der Spalte hätte gehen können. Aussichtslos erschien mir die Situation.
Je
mehr darüber schreibe, desto kribbelig wird es mir. Was ich mir jetzt nicht
erklären kann ist, wieso bin ich überhaupt nicht in Panik geraten? Alleine auf
einem unbekannten Berg vor unerwarteten gefährlichen Situationen ….. und trotzdem
keine Panik. Es gaben die Angstmomente, die Mut-Momente, ich guckte nach
hinten, nach unten, nach oben und dann ging ich einfach geradeaus weiter. Warum
schaffe ich in meinem tagtäglichen Leben nicht, einfach so geradeaus spazieren
zu gehen? Warum soll ich immer wieder unter Panik, Angst und Verzweiflung
leiden? Dass die gestrige Erfahrung mir nicht umsonst „geschickt“ wurde ist mir
klar, aber wie schaffe ich, das, was ich gestern umgesetzt habe, in meinem „normales“
Leben umzusetzen? Wie?!?! Was gibt es um mich herum, das ich noch nicht
wahrnehmen kann?
Der
Gedanke kam wieder: „Auf keinem Fall kehre ich jetzt um! Ich werde doch nicht
das Wasserfall zurück hinaus klettern, um mich durch den schwarzen Tunnel zurück
zum Auto zu schleppen. Nein, das ist definitiv nicht die Option!“
Nicht
mal eine Sekunde war mir eine Option, alles aufzugeben und zurückzugehen. Die
Situation erschien mir wieder aussichtslos, aber immer noch nicht so unmöglich.
Komisch. Ich habe in den beiden Situationen heute genauso gehandelt, wie vor
drei Jahren mit der Krebsdiagnose: „Es ist ein Irrtum! Der Krebs gehört nicht
mir, die Diagnose hat mit mir nichts zu tun. Ich erkenne sie nicht, als mir zu
gehören!“ Und heute bin ich durch „Feuer und Wasser“ einfach so gegangen, wie
die Ente durchs Wasser Genau wie vor vier Wochen, an dem Montag, als ich bei 2.000 m, auf dem Schmitten, um 17 Uhr auf die linke Körperseite gewaltig stürtzte und spürte, wie der linken Schulter aus der Pfanne ragt. Der Schmerz war unerträglich, der Schock war gross und ich profitierte instinktiv, um Mitte in der Schock den Schulter zurückzuschieben und mein Abstief für die weiteren 11 Km zu absolvieren. Die tatsächlichen Schmerzen begannen spät in der Nacht, dann für 24 Stunden durfte ich Fieber erleben. Erst nach zwei Wochen konnte ich mich mit dem linken Arm besser helfen, damit Dinge greifen, mich umziehen, baden usw. Jezt, nach vier Wochen, laufe ich wieder auf dem Bergen und nicht auf irgendeiner Strecke ..... es war aber alles ungeplant!!
Das
Leben sprach mich irgendwie wieder an. Ich weiß es, es klingt bestimmt
verrückt, aber das ist die Übersetzung des heutigen Tages!
Und
jetzt pass mal auf:
Ich
näherte mich wieder zu der Stelle, wo ich vor einigen Minuten stand und Bilder
schieß. Als ich auf Eier getreten hätte, stellte ich mein rechten Fuß auf dem
Schnee …. Ob darunter auch solidem Boden war, hatte ich keine Ahnung. Die ganze
Geschichte dauerte im Grunde weniger als drei Sekunden, verdammt noch Mal! Der
Unterschied zwischen Leben und Tod (ein bisschen übertrieben jetzt, ich wäre
nicht gestorben, aber sicherlich schwer verletzt!) lag in weniger als eine
Sekunde, die ich voll erleben durfte und hier kommt der Schrei aus meinem
Inneren!!! Ich hoffe, du hörst es, sonst wären meine Tränen jetzt gerade unwahr
….. aber ich spüre sie heiß und schwer auf meinen beiden Wangen …..
Ok …. Ich war total angespannt. Noch
angespannter als zuvor. Ich vermute, eine große Dosis von Angst steckte auch in
mir, aber ich gab mir keine Zeit, darüber zu denken, echt. Blitzschnell verlief
alles ….. und ein großen Knoten steigt jetzt gerade in meinem Hals, die
Verbindung zwischen Gehirn und Herz ist gerade gesperrt ….. jetzt kriege ich
erst Angst, obwohl ich im Bett liege und über gestern schreibe …. Bin in
Sicherheit und große, schweren, vollen Tränen laufen mir übers Gesicht …..
während gestern alles so kaltblütig verlief. Ich verstehe das nicht ….. Emotionelle Mechanismen des
Daseins, die uns schützen …. Faszinierend, absolut irre! Warum finde ich alles
so faszinierend überhaupt …. Ich glaube, ich muss aufgeben, mich zu verstehen.
Was
gestern passierte war wahrscheinlich VERTRAUEN. Ja sicher ….. Das Vertrauen …. In das
Universum, in das Leben oder in meinen Schützengeln. Oder in all diese Zusammen. In Karma. Es ist
noch nicht die Zeit, dass ich so sterbe. Diktatur, Geheimnpolizeiverhör, Sprung
aus dem Zug, beinahe Vergewaltigungen, Straßenkrieg überlebt, Krankheit in den
höhen Himalayas, Stürze in der Wildniss, Burnout, Krebsdiagnose ….. es ist noch
nicht die Zeit, dass ich so einfach sterbe und ein noch nicht veröffentlichtes
Buch in der Welt einführe!!!
Ich
näherte mich wieder zu der Stelle, wo ich vor einigen Minuten stand und Bilder
schieß. Als ich auf Eier getreten hätte, stellte ich mein rechten Fuß auf dem
Schnee …. Ob darunter auch solidem Boden war, hatte ich keine Ahnung. Dann der
linken Fuß folgte sofort und den rechten nahm der festen Boden auf der andere
Seite der Spalte im Griff und genau in dem Moment hörte ich einen grausamen
Geräusch hinter mir und spürte ein wirbelndes Irgendetwas unter meinem linken
Fuß, den ich noch nicht zu mir herangezogen hatte! ICH WAR IN SICHERHEIT UND
HEIL AUF DER ANDERE SEITE DER SPALTE UND DES LEBENS, ALELUJA!!!!
Ich
spüre wieder die Leere eines angespannten Magen und ich nehme erst jetzt
richtig war, wie gefährlich gestern alles war.
Ich
fiel natürlich auf dem steilen Bergwand rüber, auf der rechte Körperseite. Aber
ich war in Sicherheit. Ich hatte Mut, hinter mir zu schauen und ich sah
deutlich die Spalte. Die dünne Schneeüberbrücke war verschwunden, hinter mir
blieb der Loch. Und ich war nicht in dem Loch. Die Kraft des Schneeblockabsturzes
hätte mich mitreissen können, ich war aber eine Fraktion schneller. Oder ich war
unbewusst verzweifelt und das gibt Kraft. Unerklärlicherweise blieb ich nicht
stehen, ich stand nach 3-4 Sekunden wieder auf, nahm ein Bild fürs später und
rannte tatsächlich hinunter zu dem Pfad. Ich rannte tatsächlich, leicht hinkend,
aber erstaunt, dass ich weiterdurfte. Wieder eine Kurve und wieder war alles
hinter mir verschwunden, keine Zeit zum Trauern oder so. Life goes on! Oder
nicht ….
Nach
etwa 30 Meter verlangsamte ich mein Tempo und spürte Spuren von Angst. Ich hatte
noch dieses wilde Absturzgeräusch des Gerölls und der Schnee in den Ohren und vor
den Augen lag mir die Szene der Spalte wie ein breit geöffneter Mund ohne Ende
in der Tiefe. Das Gefühl, ich hätte mitgerissen werden können kam hoch und verschwand
wieder, indem ich mich rasch fortbewegte. Um dies alles zu verarbeiten war noch
nicht die Zeit. Diese Zeit begann erst heute.
Ich
dachte, ich lerne gerade, mein Leben in einem milderen Tempo zu üben ….. was
gestern geschah hat mit einem milden Tempo nichts zu tun.
Was
treibt mich an?
Das
war eine interessante Frage während der Ausbildung als Mental Trainer. Ich war
die einzige in der Gruppe, die diese Frage nicht bekam. So musste ich sie
damals nicht beantworten. Jetzt jagt sie mich aber und ich kenne die Antwort
nicht.
Die
Klaudia sagte mir damals, meine größte Stärke wäre der Überlebungswillen. Weil
ich so oft in den vorigen Leben getötet wurde. Das ist nicht unbedingt ein Vorteil. Je kräftiger du bist, desto schwerer werden deine Lebensaufgaben. Anziehungskraft, Resonanzgesetz. Es gibt Frauen, die Angst vor Wasser haben, weil das Wasser feucht ist ... dann fallen sie nie im Wasser, sie werden immer verschönt - so, als Beispiel, im übertriebenes Sinne, natürlich.
Alles
macht Sinn und ist gleichzeitig unsinnig. Ich pendle immer noch zwischen Extremen
der Existenz und meistens geht es darum: „Weiter leben?“ oder „Lieber doch
nicht?“
Ich
bin verblüfft und gehe schlafen. Der Morgen kommt bald. Vor über einem Jahr versuchte ich mich zu überzeugen, dass alles was geschieht, dem Prozess gehört. Vor über zwei Jahren sagte ich mir ständig, alles gehöre dem Prozess. Vor drei Tagen sagte mir D., alles gehört doch dem Prozess, ich soll mir Zeit gönnen. Es gibt aber keine Zeit. Ich habe keine Zeit mehr. "
Das Geschehen, weniger Philosophisch dargestellt, befindet sich hier: Trail-running-to-the-high-alpine-reservoires
Das Geschehen, weniger Philosophisch dargestellt, befindet sich hier: Trail-running-to-the-high-alpine-reservoires