Der Frühling
macht sich schwierig Platz, hier bei der Grenze Nieder- zu Oberösterreich. Es
ist meistens bewölkt, grell und regnerisch. Der Vollmond kommt näher und näher
zum Sicht. Die letzten Tagen und Nächte waren genau wie das Wetter: wie
Draußen, so Innen. Grell, unruhig, regnerisch …..
Als ich meine
Laufstrecke startete hatte der Regen gerade eine Pause eingestellt. Mit
Handschuhen und Mütze ging ich weg ohne Plan. Pläne sind bei mir noch tabu und
ich schätze, es wird noch bis nächstes Jahr so bleiben. Ich nehme Laufen jetzt
als Gelegenheit mit Gott zu sprechen, mit meinem Inneren. Das tue ich sowieso
seit einigen Monate, aber beim Laufen ist anders. Ich genieße die Natur und die
Öde hier. Ich habe keine Ahnung, wo ich in ein paar Monate noch bin.
Die ungeplante
Laufstrecke erwies sich öde und meistens steil, ich kenne sie, laufe und radle
oft in der Gegend. Ich erreichte den Hochkogel-Punkt – 120 m Höhenunterschied
in etwa 1,2 km – und statt nach rechts zu gehen, entschied ich mich für links,
auf einem Weg nach oben durch den Wald wo ich noch nie war. Diese Wege durch
die Öde, wo ich zum ersten Mal reinkomme …… die machen Geschichte in mein
Leben!
Ich hatte die
Kamera dabei und fotografierte, wie immer. Der Wald war nass, ordentlich und
chaotisch gleichzeitig. Nach einer Kurve verlief der Weg gerade und ich sah
eine Körpergestaltung im Rot etwa 50 Meter vor mir. Ein Mann oder eine Frau,
ich konnte es nicht klar sehen. Sie stand einfach unbewegt und guckte verloren
über die Panoramalandschaft unter uns.
Dann kam sie zu
mir und wir kamen uns näher, begrüßten uns und schauten uns in den Augen. Es
war eine Frau, so groß wie einen Mann. Eine Bäuerin. Gummistiefel, alte grünen
Hosen und rote Bluse. Große Hände. Sie hielt an, ich hielt an und beide
schauten nun über die selbe Panoramalandschaft unter uns. Zwischen uns waren
maximal zehn Meter. Dann, nach weniger als eine Minute, sprach sie mich an. Ob
es so viel regnen wird, wie vorausgesagt? Wir kamen uns sofort näher und kamen
auf die Stelle ins Gespräch.
Alles verlief
unglaublich schnell eigentlich. Ich wusste, ich kann nicht lange stehen
bleiben, weil ich total geschwitzt war und draußen war kühl. Sie fragte, woher
ich komme, wovon ich lebe. Sie sagte, sie wohnt am Bauernhof hinter uns, das
ich durch den Wald nicht sehen konnte, aber ich wusste was sie meinte, ich war
dort vor etwa 2 Wochen mit dem Rad.
Dann guckte sie
mich tief an und sagte mir, ihr ginge nicht gut. Sie leidet seit etwa zehn
Jahren unter Depressionen, war schon zwei Mal im Krankenhaus und sie nimmt
Medikamente. Ihre Augen waren irgendwie hungrig mit jemandem zu sprechen und
sie wirkte eigentlich sehr begeistert über unsere zufällige Begegnung.
Sie lebt hier
seit über 25 Jahren, aber sie ist unglücklich. Wenn eine fremde Person auf dich
zukommt und dir so rasch sagt, indirekt, dass sie Hilfe braucht ….. es ist ein
gewaltiges Gefühl.
Ich kann ihr
Alter und ihren Namen nicht erwähnen, die Frau lebt in Angst und Unglück.
„Nein, Sie können
mich nicht besuchen!! Ich habe nichts meins hier, die Schwiegermutter
kontrolliert alles, die Kinder sind da ….. „ Sie bebte vor Furcht ......
Sie war
fasziniert und glücklich, dass jemand mit ihr sprach. Da ich selbst dieses
Gefühl verdammt gut kenne, berührte mich ihre Freude und in meinem Kopf kamen
und verschwanden blitzschnell viele Situationen aus meinem Leben, wenn ich für
ein gutes Wort, für Zeit mit jemandem, für ein nettes Gespräch alles aufgegeben
hätte …… und diese Tage kommen noch oft in meinem Leben. Ich kenne das Gefühl
verdammt gut, so ignorierte ich die Kälte, die mich langsam umarmte und
versteckte mein Zittern. Der Körper kühlte sich, der Schweiß war kalt, ich
hätte mich rasch bewegen müssen, wieder Wärme im Blut bringen, aber ich blieb
mit der Frau stehen.
Sie hatte bald
Tränen in den Augen. Sie weinte nicht, aber Tränen kamen heraus am Winkeln der
Augen. Die Frau war einfach außer sich vor Freude ….. „Ich freue mich so, dass
ich Sie hier begegnet habe, wissen Sie? So ein freundliches Gesicht, das mit
mir spricht …..“
Sie erzählte mir
wie sie im Haus nicht aushält, wie sie sehr viel arbeitet, manchmal bis zehn
Uhr in die Nacht, wie sie alles für allen im Haus erledigt, wie sie mit ihren
Blumen und mit den Kühen im Stall spricht, wie sie mit einem Bruder von ihr
eine besondere telepatische Beziehung hat, aber er wohnt nicht gleich um die
Ecke, leider ….
Wir sprachen über
diese Sache mit Tabletten nehmen, was sie eigentlich wirken, warum sie
eigentlich nicht gut sind. Sie hat dadurch ein gelähmtes Leben und sie sagte,
sie weiß es, aber …. Was soll sie machen?
Ich habe ihr
gesagt, zehn Jahren ist doch ein langen Weg ….. sie soll ernst nachdenken, sich
Zeit und Ruhe nehmen und mit ihr selbst sprechen, herauskriegen was sie im und
aus ihrem Leben will …… unabhängig von allen anderen. Sich Zeit und
Aufmerksamkeit gönnen. Keiner kann ihr weiter helfen, bis sie nicht
erkennt und versteht, wer sie ist, wo sie ist und was sie eigentlich will!
Durch Gesprächen kann sie sicherlich geholfen werden, um dies alles
herauszufinden, und hier kommt der Unterschied zwischen Psychologen (ihre gute
Psychologin gibt ihr seit 10 Jahren Medikamente ….. um sie ruhig zu stellen …..
ich bin sprachlos!) und Mental Trainer, zum Beispiel. Der Psychologe arbeitet
mit dir in deiner Vergangenheit. Der Mental Trainer arbeitet mit dir nur in der
Präsent und Zukunft.
Ich hätte sie mit mir nach Hause genommen.
Ich könnte ihr Einiges zeigen, so dass sie versteht, um was es geht. Ich bin doch nicht umsonst Gesundheits- und Mentaltrainer.
Ich bot ihr an,
sie ab und zu, zu besuchen, dann sagte sie, das sei unmöglich, weil sie nicht
die Herrin des Hauses ist. Verblüffend, oder?
Wir wohnen also
etwa 10 Km entfern voneinander, sogar 8 Km, aber wir fanden anscheinend keine
Idee, wie wir uns treffen könnten. Sie hat keine Zeit, sie kann von Zuhause
nicht einfach verschwinden. Meine Telefonnummer im Handy zu speichern wollte
sie auch nicht, sie hat kein eigenes Handy!!! Es ist das Handy ihres Mannes …..
meine Güte ……
Sie war beihnah ins Heulen zu brechen. Ab und zu guckte sie besorgt nach rechts, links, so dass sie keiner sieht, aus der Familie ...... Gott oh Gott ....
Ich erzählte ihr in 2 Minuten nur, wie ich hier kam, wie auf mich Zuhause keiner wartet, wie und was ich alles alleine durchgemacht und geschafft habe und die Tränen in ihren Augen wurden größer und schneller. Da waren intensiven Momente für sie, denke ich ....
Dann haben wir uns berührt .... zwei fast gleich altrige Frauen, mit zweit unterschiedlichen Lebensgeschichten treffen sich im Wald und berühren sich seelisch, emotionell und mit den Händen ......
Wir fanden im
Wald ein Versteck, wo ich ihr meine Visitenkarte hinterlassen werde. Ich hatte
leider keine dabei, obwohl ich nirgendwo rausgehe, ohne mindestens 2-3
Visitenkarten mitzuhaben, einfach aus Sicherheitsgründe (da steht Name und
Adresse zumindest). Aber heute nahm ich nichts mit, kein Handy, nur die
Hausschlüssel und die Kamera. Und mich!
Ich versprach
ihr, in 2-3 Tage komme ich vorbei und lasse meine Visitenkarte dort. Sie sagte,
sie wird mich anrufen, unbedingt. Wir verabschiedeten uns, ich zitterte schon
zu kräftig. Sie zitterte vor Freude und bis am Ende hatte sie kleine Tränen in
den Augen. Plötzlich schämte sie sich für ihre schmutzigen, alten Klamotten und
ich sagte ihr, mach nichts, es sind doch Arbeitsklamotten, meine Laufschuhe
sind auch total dreckig.
Eine große,
erwachsene Frau, die tierisch arbeitet, die sich total unglücklich fühlt,
einsam und alleine in einem Haus, wo sie sich nach 25 Jahren nicht Zuhause
fühlt …….. wer hätte so was gedacht?! Als ich sie sah, von Ferne, dachte, guck
Mal, eine gesunde, kräftige Bäuerin, die bestimmt ein gutes Leben hat …..
Wir sind meistens
so falsch in unseren Einschätzungen …… die Frau hat mich nie im Leben gesehen,
sie weiß nicht, ob sie mich jemals wiedersieht, sprach mich an und nach wenigen
Minuten stellte sie ihre Seele auf dem Tablett …. Wie viel Kummer und Leid in
dieser Frau steckt …… nur sie weiß es. Wie viele Frauen so ein Leben führen ……
Ich hatte noch
etwa 9 Km zurückzulaufen, ich badete warm und lange, ich aß eine heiße Suppe
und blieb etwa eine Stunde im Dunkeln liegen, an diese Frau denkend, die den
gleichen Namen trägt, wie meine Mutter ……für mich, eine unvergessliche Begegnung .....
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