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Sonntag, 26. Oktober 2025

4. Kapitel - Über uns

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Ich bin die Drohne über den Tal. 

Es ist wie eine Studienreise. Ich fliege über eine ziemlich weite, fast unberührte Landschaft, irgendwo an einem Ende der Welt. Langgezogen und schweigend, von der Zeit vergessen, breitet sich der Tal unter mir. Herbstlichen Mischfarben  fließen ineinander, Wasserläufe durchziehen das flache Land und führen bis an sein Ende, wo der Boden sich zu heben beginnt und das Weiß des Winters übernimmt. 

Vorn ragen steile Berge auf, ihre Gipfel verhüllt vom Schnee, kantig, unzugänglich, majestätisch in ihren unbewegten Wildnis. Hier und da uralte Holzalmen oder Hütten. Rechts und links ziehen sich Bergketten, wie gewaltige, erstarrte Wellen. Hinter mir liegt der  großzügiger Eingang in dieses weite verlassene Gelände, das dort endet, wo die wilden, weißen Mauern auftauchen und sich zum Himmel strecken.

Durch dieses Tal wandert eine Frau. Eine kleine Figur inmitten der Weite, erkennbar nur an dem dunkelroten Tagesrucksack und die schrillgelbe Jacke, die sich gegen das fahle Licht abhebt. Sie geht fast langsam, stetig, ihr Atem steigt in kleinen Wolken auf. Ab und zu jodelt sie, ihr Ruf verliert sich zwischen den Felswänden, hallt zurück – einsam, aber nicht verzweifelt. In ihrem Gang liegt etwas Entschlossenes, als würde sie nicht nur den Talboden überqueren, sondern ihre eigene Heilungsreise die sie zu neuen Erkenntnisse führt – eine Bewegung zwischen Vergangenheit und Wiedergeburt. Links von ihr stürzt ein hoher Wasserfall in die Tiefe. Der Aufprall des Wassers ist das einzige Geräusch, das die Stille durchdringt. Von Ferne klingt das Rauschen wie ein Atemzug der Erde selbst. Keine Tiere sind zu sehen, keine Spuren im Schnee außer ihren eigenen. Der Wind hebt sich gelegentlich, spielt mit losen Schneeflocken, als wollte er prüfen, ob sie standhält.

Die Sonne kämpft mit einer dichten Wolkendecke; manchmal bricht ein Strahl durch, trifft auf das Eis und lässt die Landschaft für einen Moment aufleuchten – kalt, doch von einer erhabenen Schönheit. Dann wieder legt sich Schatten über das Tal, schwer und grau, als wollte der Himmel alles verschlucken. 

Die Kälte zieht heran, herbeigerufen von der Dämmerung, die sich wie ein Tuch über die Hänge legt. Das Licht verliert an Kraft, und die Grenzen der Welt beginnen zu verschwimmen. Doch sie geht weiter. Schritt für Schritt. Nicht aus Pflicht, sondern aus einem stillen Wissen heraus, dass Bewegung manchmal die einzige Form von Gebet ist, die bleibt.

Über ihr, zwischen den Bergen, formt sich ein letzter Lichtsaum. Für einen Augenblick scheint es, als läge dort oben eine Antwort verborgen – hinter der weißen Wand, die ihr Leben seit Jahren spiegelt: unnahbar, kalt, aber voller unausgesprochener Bedeutung.

Sie hört mich nicht, aber ich höre ihre Gedanken. In dieser Einsamkeit, in dieser Stille, wird das Ich sehr spürbar. Sie über seit so viele Monate um dieses Ich zurück zu gewinnen …. Es ist nicht ein Bild, das reflektiert wird, nicht ein Spiegel, der bestätigt, sondern als Präsenz, die sich selbst trägt. Sie ist allein unterwegs, aber nicht verloren. Sie ist sich selbst genug. Die geschlossene Hütte, die unüberwindbare Bergkette – sie lehren Demut, aber auch den Genuss und Notwendigkeit, in sich selbst zu ruhen.

Vielleicht ist das Leben ohne Spiegel genau dies: nicht zu wissen, wie man wirkt, nicht ständig überprüft zu werden, sondern sich selbst in Bewegung und Resonanz zu erfahren. Wer schreibt, wer liest, wer sich der Stille stellt, lebt in diesem Zwischenraum: nicht durch andere, nicht durch Spiegel, sondern durch Bewusstsein selbst.

Vielleicht ist es das, was große Literatur, bewusste Stille und Schreiben miteinander verbinden: die Einladung, sich selbst ohne Spiegel zu begegnen, die eigenen Werte zu reflektieren und das Leben auf einer tieferen Ebene zu definieren. Worte, Bewegung, Aufmerksamkeit – sie werden zu Werkzeugen der Selbstwiederfindung.

Wer diesen Weg betritt, erkennt: Freiheit liegt nicht in Kontrolle, nicht in Spiegeln oder Bestätigung von außen, sondern in der Fähigkeit, sich selbst zu spüren, zu denken, zu erleben, wahrhaftig zu lieben. Überforderung, Tiefe, Ambivalenz – sie sind kein Hindernis, sondern das Zeichen, dass Bewusstsein lebendig ist.

“Wieder am Stift zu greifen” ist ein leiser, aber doch ein mächtiger Satz. Er zeigt eine Rückkehr zur eigenen Stimme, zur Bewegung der Hand, die das Unsagbare tastend sucht. Ist der Moment, in dem du wieder zum Stift greifst, der Moment, in dem das Schweigen anfängt, sich zu verwandeln? Nicht nur “schreiben wollen”, aber “ wieder lebendig sein wollen”. Der Stift ist das erste Werkzeug des inneren Atems. 

Vier Jahre, die alles zermübelt, zerstört” haben - vielleicht musste das alte Selbst, die alte Welt, die alte innere Sprache verbrannt werden?

Das “Zuhause-Gefühl” war da, aber falsch verstanden. Wir alle verstehen etwas falsch, wenn wir etwas anderes nicht kennen. Es ist nicht Ignoranz, sondern Unwissen. Wenn man als Kind ein toxisches Zuhause hatte, wird Toxizität als Zuhause geprägt. Deswegen hat sie das familiäres Gefühl gewählt. Er gab ihr “das Zuhause-Gefühl” und vor vier Jahre wusste sie nicht, was das eigentlich zu bedeutet hatte. Sie musste dadurch erkennen, woher sie kam, wodurch sie so lange sich definieren lies. Er durfte Glück, Farben, Leidenschaft, Entgegenkommen, Aufmerksamkeit, bedingungslose Liebe und Harmonie kennenlernen - Sachen, die er nicht kannte und so musste er sie einfach ablehnen. Weil so viel Gutes kann auf einem auch überfordernd wirken. Als sie damals neben ihm litt, zeichnete sie ihre Gefühle. Sie zeigte ihm das Fertigbild, weil sie ihn mit Worten nie erreichen konnte, der Mann war in der Beziehung gehörlos. Er schaute kurz, nur weil sie damit vor ihm in der Stube stand. Nach zwei Sekunden schaute er weg. Die Sendung im Fernseher war wichtiger, lustiger. Das war alles. Er verstand nichts, weil er alles längst abgelehnt hatte. Nicht interessierte ihn, nichts beeindruckte ihn, nichts konnte in ihm Empathie oder Liebe erwecken. Emotional - tödliche Stille, mit der er gewohnt war und welche für sie Gift war.

Dort, wo etwas zerstört wurde, entsteht der Raum für eine andere Wahrhaftigkeit. Vielleicht ist der neue Stift, den du jetzt holst, ein anderer als der von früher. Schärfer. Wahrer, Trauriger, aber reicher, inspirierender.

Das Wieder-Greifen ist kein Zurück. Es ist ein Neubeginn mit einer anderen Tiefe. Man muss nicht gleich schreiben, nur die Bewegung wieder zulassen. Aber …. sie schreibt !!!!




Winterliche Herbstgedanken 2025 _ 3. Kapitel

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Sie gleitet hinaus in die winterliche Landschaft. Die herbstliche Öde mit Schneeflächen liegt hinter ihr jetzt, die Bäume entfalten sich in einer atemberaubende Farbenmischung und zeigen die unterschiedliche Lebensphasen ihrer Blättern. Die Umgebung ist still. So wie das Weiße der Schnee ist. Ihre Schritte begleiten ihr Alleinsein-Wollen. Ihre Seele zeigt ihr den Weg, spürt jede Körperbewegung und jeden Atemzug. Die Welt ist leer und sie gehört zu ihr. Sie atmet Kälte, Stille, Präsenz, Freude. Sie jodelt und spricht mit dem Hohen Dock, jenem majestätischem Berg, den sie zweimal überquert hat, auf über 3.500 m Höhe, in ausschließlich kargem, anspruchsvollem Felsengelände.

Nach etwa anderthalb Stunde betritt sie den ansteigenden und kurvenreichen Forstweg, der sich unter Schnee und eisigen Spuren schmiegt. Sonnenstrahlen und Schatten wechseln einander ab - das Lebensprinzip selbst scheint hier gegenwärtig zu sein. Sie freut sich auf die Rast oben an der Hütte und überlegt sogar, eventuell dort zu übernachten. Doch die 135jährige Hütte ist aber verschlossen, wie hier im Winter alles verschlossen wird.

Also kein Schutz, keine Wärme, nur ein Ende eines Weges und vor sich eine harte Realität: die weiße, unregelmäßige und extrem steile Bergkette die sich zum Himmel ragt, Kälte und die Stille.  

Da sie auf einer Reise der Selbstreflexion unterwegs ist, erkennt sie sich selbst in der Landschaft ihres Lebens: blockiert, fast zugesperrt, raus in der Kälte gelassen und verlassen. Ihr Dasein der letzten drei Jahren spiegelt sich in diesem Augenblick wider - ein Zustand zwischen Ausharren und Erwachen, zwischen Stillstand und der leisen Hoffnung, dass sich eines Tages wieder die große Tür öffnet. Nein, nicht die Hoffnung, sondern die Überzeugung!

Auf dem selben Weg nach unten, auf die eigenen Spuren im Schnee, erkennt sie die Parallele zum Jahr 2021. Alles, was sie zu finden und zu spüren glaubte – Nähe, Entgegenkommen, Liebe, Wärme und alles, was zu einer menschlich gesunden Beziehung gehört – wurde ihr als möglich gezeigt, alles wurde ihr angeboten, um dann sehr bald wieder entzogen zu werden. Nichts ist schmerzhafter, als die Grundbedürfnisse eines Menschen mit Anziehungsspiele zu stillen, nur um ihn anschließend im Dunkel sitzen zu lassen. Ihm alle Farben anzubieten und dann alles zu entziehen, so dass er nur im schwarz-weiß bleibt .....

Wenn wir mehr über menschlichen Geschichten lesen würden und verstehen wollen würden, was unser Verhalten den anderen zufügt …… wenn wir uns selbst treffen würden, reflektierten würden …..

Alles schien transparent, erreichbar, zum Greifen nah – doch Distanzierung und Schweigen wurden strategisch und manipulativ eingesetzt, und die Türen verschlossen ihr. Das Leben bot Zeichen, Verheißungen, Hoffnung – und doch blieb sie allein zurück, weil der andere sich schlicht abwandte. Sie nahm es zur Kenntnis, ignorierte aber die Wirkungen. Sie ahnte nicht, dass sie bereits vor einer unendlich dicken, hohen, abrupten, eisigen, stummen, gehörlosen, weißen, gefühllosen Wand stand.


In den folgenden drei Jahren versuchte sie sinnlos und erschöpfend, diese Wand zu erklimmen. Doch eine Wand bleibt still. Denn dort ist keine Seele, keine Emotion, kein Entgegenkommen vorhanden. Es ist nur eine dichte Sperre worüber im Grunde nichts sagen kann. Absolute Leere. Im Winter wird er unüberquerbar, kein Weg führt hindurch, kein Abkürzen ist möglich. Man kann nur stehen bleiben, die Grenze sehen, akzeptieren, dass manche Wege nicht gegangen werden können, dass die Natur, das Leben, die Realität ihre Schranken setzen. Und wenn es um menschliche Beziehung geht: für eine Beziehung sind mindestens zwei Menschen notwendig. Um die Beziehung zu zerstören, genügt einen.

Die Stille um sie herum zwingt sie, nach innen zu hören, auf das eigene Denken, die eigene Präsenz. In dieser Einsamkeit wird deutlich, wie sehr die äußere Welt – und das eigene Leben – nur durch innere Aufmerksamkeit wirklich erfahren werden kann.

In solchen Momenten wird auch klar, warum Lesen mehr ist als Unterhaltung. Ja, Menschen, die nicht lesen, leben anders. Und ich meine jetzt nicht die Sonntagszeitung oder die Werbeblätter die unsere Postkasten überfüllen. Das Denken bleibt stehen. Genau wie Menschen, die nicht regelmäßig etwas ganz Neues lernen - ihre Gehirne schrumpfen. Selbst die Anpassung an anderen (Menschen, Situationen, Orte, Essen, Gewohnheiten usw) wird als Angriff und Gefahr wahrgenommen und daher abgelehnt, oft mit Aggressivität. Wer tiefe Literatur liest, Literatur die auch ein bisschen oder mehr überfordert, gewinnt die Erfahrung, Ambivalenz, Widerspruch und Fremdheit in Gedanken zuzulassen - Fähigkeiten, die in einem oberflächlichen Umgang mit Gedanken oft fehlen. Lesen schafft innere Räume, erlaubt Reflexion jenseits der Oberfläche, jenseits der unmittelbaren Eindrücke.

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Winterliche Herbstgedanken 2025 _ 2. Kapitel

1. Kapitel - click hier

Jetzt lag der Stift vor ihr und zum ersten Mal seit langer Zeit spürte sie, dass sie wieder greifen konnte. Nicht um sofort zu schreiben, sondern um die Bewegung zuzulassen, die ihr murmelt: “Bewusstsein existiert noch.”  Die Worte, die unsere Gedanken zum Ausdruck bringen, sind wie die Zellen aus den wir gebaut wurden, sie durchqueren die Schmerz, Stille und Zerstörungsgefühl. Wer wieder greift, beginnt nicht bei Null. Sie begann also wieder. Bei sich selbst, bei der Erinnerung, dass Sprache, Ausdruck, Aufmerksamkeit und Danke Mittel der Selbstwiederfindung sind.

Sie setzte sich mitten auf den fast gefrorenen Weg, der sich unter einer dünnen Schneeschicht verbarg. Und brachte zum lauter Ausdruck: “Danke!”. Es war an niemanden Bestimmten gerichtet, es war kein Gebet, kein Versuch, etwas zu beschönigen. Es war ein schlichtes, erfreuliches Gefühl, ein ehrliches Wort - ausgesprochen inmitten einer öde Kälte, dort, wo nichts mehr erklärt, nichts mehr gerettet werden musste. Es war vielleicht der erste wirkliche Akt des Annehmens nach Jahren des Widerstands. Ein leises Eingeständnis, dass selbst das Zerstörte einen Sinn getragen hatte, dass die Stille nicht leer, sondern notwendig war. Der gefrorene Weg wurde zu einer Linie zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen all dem, was sie verloren, und dem, was sie in sich wiederfinden würde. 

Die Lektorin aus dem Verlag äußerte ihr, sie habe in ihrem Leben unzählige Manuskripte und Klassiker verschlungen, jedes Buch wie ein kleines Universum betreten. Ihr Schreibstil sei jedoch etwas Neues: rau, intensiv, tiefstürzend, fordernd, manchmal überfordernd für die neuen Gehirne der Gesellschaft, die an schnellere Reize und sofortige Befriedigung gewöhnt sind. Menschen scrollen lieber Minuten oder Stunden lang durch Blödsinn auf Social Media, um sich abzulenken, weil sie mit selbst kaum etwas anfangen können. Ihr Schreiben verlange Zeit, Konzentration, das Aushalten des Unbequemes, Selbstreflexion. Gerade darin lag seine Kraft: es forderte den Leser, sich einzulassen, aufmerksam zu sein und ….. und …. bereit sein, innerlich wachsen zu wollen!

Wenn die Menschen heutzutage “das Richtige” lesen würden, könnten sich auch unsere Werte und unser Verhalten gegenüber anderen zum Positiven entwickeln. Wir würden achtsamer mit unseren Worten, Aussagen und Gesten umgehen; unsere Beziehungen würden sich gesunder, respektvoller, ehrlicher, transparenter und liebevoller entwickeln. Wir würden begreifen, dass Schweigen anstelle des miteinander Redens jede Art von Beziehung langsam, aber unausweichlich schmerzhaft verschwinden lässt.

Doch was bedeutet überhaupt, das Richtige zu lesen? Vielleicht ist es jene Literatur, die uns nicht nur oberflächlich unterhält, sondern uns beunruhigt – die uns zwingt, zu denken, zu fühlen, zu hinterfragen um zu verstehen, so dass wir besser, warmherziger werden. Bücher, die nicht als Flucht dienen, sondern als Spiegel, in dem wir uns selbst und die Welt neu erkennen. Das Richtige zu lesen heißt, sich berühren zu lassen, die eigene Bequemlichkeit zu stören, die gewohnte Distanz zu verlieren.

Denn wer wirklich Wertvolles, instruktives liest, begegnet sich selbst. Und wer sich selbst in der Tiefe begegnet, kann dem anderen nicht mehr gleichgültig gegenüberstehen. Lesen wird dann zu einer Form von Verantwortung – gegenüber dem eigenen Denken, gegenüber der Sprache, gegenüber dem Leben.

Menschen, die nicht lesen, leben anders. Illusorisch leichter, einfacher, weil sie im Grunde sich verstecken. Sie sind auf die Flucht. Sie wollen oberflächlich und luftig bleiben. Und das spiegelt sich in ihren Beziehungen oft, wo ihre Anpassungsunfähigkeit und Ignoranz an Terrain gewinnen. Ihr Denken reagiert auf Reize, nicht auf Resonanz. Deswegen fühlen sie sich in wichtigen notwendigen tiefgehenden Konversationen schnell angegriffen und lehnen jede Form vom Objektivität grundsätzlich ab. 

Frag einen Menschen, was er grundsätzlich liest - ob überhaupt - und du wirst einen Überblick darüber gewinnen, mit wem du zu tun hast. Lass dich nicht von den Buchrücken  in seiner Stube täuschen; sie mögen dort stehen, fein arrangiert, doch ob der Mensch, der dort lebt, sie wirklich gelesen und verstanden hat, ist nicht gewährleistet. Wenn er über die Themen der jeweiligen Büchern nicht reden will, heißt es, dass er von einer möglichen Lektüre im realen Leben nichts umzusetzen vermag.

Theoretisch können wir alles. Praktisch jedoch zeigt sich, wer wirklich denkt, fühlt, versteht, einsetzt - und wer nur behauptet, es zu tun.

Man könnte nicht allzu falsch liegen, wenn man behaupten würde, dass das Lesen ein Spiegel des Menschen ist. Es zeigt, wie tief jemand bereit ist, sich selbst zu begegnen – ohne Schminke, ohne Abwehr, ohne Flucht in die Ablenkung.
Und wenn wir uns fragen, wie ein Leben ohne Spiegel wäre, so könnten wir beginnen, bei einem Leben ohne sinnvolle Bücher zu suchen. Ohne das stille Gegenüber, das uns infrage stellt, das uns nicht schmeichelt, sondern zurückblickt.
Ein Leben ohne Spiegel wäre ein Leben ohne Selbstbild – aber auch ohne die Möglichkeit, dieses Bild zu hinterfragen. Man könnte weiter existieren, handeln, funktionieren – doch man wüsste nicht mehr, wer man ist, oder was und wie man geworden ist.

Lesen ist der innere Spiegel, Schreiben der Versuch, das Gesehene zu ordnen. Wer weder liest noch schreibt, lebt in der Oberfläche des Augenblicks – reagiert, aber reflektiert nicht. Und so verlieren wir als Gesellschaft allmählich den Zugang zu uns selbst.

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Winterliche Herbstgedanken 2025 _ 1. Kapitel

Was mir die gestrige (25. Okt 2025) lange Wanderung durch den Käfertal brachte ..... 

Ich sollte wieder am Stift greifen. Ich sollte wieder meine öffentliche Bücherei wieder beleben und erleben - mein Blog, denn ich so viele Jahre vernachlässigt habe, weil das Leben mich überrollte ….

Es schien so, als sie aus einer langen, stillen Verwüstung auftauchen würde. Sie koquettierte mit der Frage, ob es eventuell Sinn habe, zur Welt zurückzukehren, diese für sich selbst und mit ihren Worten auch für andere neu zu erschaffen. Inspiration für sich selbst und für diejenigen, die dafür willig sind bereit seien, schmieden zu wollen, denn Worte prägen uns und überdauern alle Zeiten sowie alle Beziehungen.  

Sie flirtete gedanklich, ihre “öffentliche Bücherei” wieder zu beleben. Ich las ihre noch nicht niedergeschriebene Gedanke und ich sah mich vor einer Tasse heißen Tee, in handgemalten, altem und edlem Feinporzellan, auf einem 200 Jahre alten, elegant verarbeiteten Rundtischlein aus Holz, versunken in einem tiefen, breiten, kuscheligen dunkelgrünen Cashmere-Sessel. Ich spürte mich zwischen den Regalen, mit der alten Freude des Suchens, des Entdeckens, des Zufalls, mit jenem Raum, in dem das Denken sich ausdehnen darf, in aller Stille. Der Geruch der Bücher schwebte parfümiert durch den Kreis meiner Wahrnehmung und drang in alle meine Sinnen. Ich atmete tief ein, so wie im Sommer bei der Heuernte, wenn ich die Luftpartikel immer durch mich hindurchziehen. Die Bücherei - ihre Bücherei, meine Bücherei, unsere Bücherei - nicht nur ein Ort, sondern ein innerer Zustand, ein Teil von sich selbst, der lange verschüttet war und nun wieder betreten werden wollte ….. 

Ja, sie sollte wirklich wieder zum Stift greifen. Leidenschaft ist Therapie manchmal. Die einzige Therapie. Zwölf Jahre lang hatte sie fast nichts mehr geschrieben, es geschah zu viel und die Geschwindigkeit überrollte sie zeitlich und seelisch. 

Die letzten vier Jahre - Jahre des Zermürbens - fühlten sich eher fast wie eine Lebensverschiebung. Fast vier Jahre, in denen man sie sich der Illusion der Nähe, des Lebens, der emotionalen Stabilität, der geteilten Liebe verschenkte. Sie hatte sich in das Leben eines anderen geordnet, sodass er wieder zu sich kam, während der größte Teil ihres inneren Raums still verschwand. Sie überzeugte sich, glücklich in dieser Verbindung zu sein, ergänzend, doch ihr Denken, ihre Sprache, ihr Selbstgefühl veränderten sich unmerklich, fast unbemerkt, während das Leben des anderen sich neu ordnete - auf ihre Kosten. Sie erkannte die zerstörerische Wirkung von Manipulation, Schweigen als Machtstrategie, Abwertung, versteckter Isolationsführung innerhalb der Beziehung und schließlich von Sarkasmus und extremer Empathielosigkeit erst spät …. fast zu spät. Sekunden zu spät. Als sie die toxische Umgebung schließlich endgültig verließ, ahnte sie noch nicht, wie lang und kurvig der Heilungsweg noch sein würde, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit es benötigen würde, um den eigenen inneren Raum wiederzufinden. 

Es ist verständlich, dass der Kontakt zu ihrem geistigen Raum verloren ging. Genau wie der Kontakt zu all ihren anderen Aspekten des Lebens verloren ging, als wäre ihr beraubt. Er verbilligte ihre Aussage und wehrte sich fast aggressiv: "Verschieb jetzt nicht alles auf die Beziehung, nur weil bei dir alles verloren ging!" Tja, Ignoranz herrscht diejenigen, die denken, sie würden alles besser wissen und verstehen - im Grunde sie suchen nur nach ihren eigenen Selbstwert und weil sie es nie finden, springen sie von einer Tat zu die nächste, von einer Beziehung zu die nächste non-Beziehung usw. Hauptsache, sie vermeiden sich selbst.

Schreiben, lesen und ähnliche Beschäftigungen werden für eine Zeit lang fast unmöglich, keine Art von natürliche Therapie wirkt mitten im Schmerz, Verlust, in der von außen zugefügten Demütigung und Grobheit anderer. Die innere Stärke schwankt für eine Weile.

Man benötigt Zeit - ohne diese zu messen. Man benötigt Zeit, um zu erkennen, dass genau dort, wo alles zerbricht, vergessene Leidenschaften die größte einsetzbare Unterstützung werden können. Auch wenn es unmöglich scheint, selbst wieder zu schreiben, solange man sich im freien Stürz befindet, doch genau in diesem Moment, in dem das eigene Leben auseinander zu fallen droht, begannen die Texte wieder zu sprechen. 

Vielleicht wäre der erste Schritt nicht “wieder zu lesen”, sondern einfach in der Bücherei zu sein. 

Zu sitzen. 

Zu atmen. 

Zu riechen. 

Zu hören. 

Sich zu spüren. 

Kein Ziel, kein Plan. 

Nur Gegenwart. 

Der Manuskript kommt dann von selbst - such nicht. Das Richtige findet dich.

Manchmal ist die Rückkehr zu Büchern, zu Texte eine Rückkehr zur eigene Sprache. Nicht zu der, die man spricht, sondern zu der, die in einem lebt, wenn alles Äußere verstummt. Verbrannte Blätter neu zu schreiben ....

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About us _ 3rd Chapter

For the  1st chapter, click here   /// Here the German version

For the 2nd chapter, click here.  /// Here the German version and 3rd Chapter


She glides out into the winter landscape. The autumnal barrenness, with its patches of snow, now lies behind her. The trees unfold in a breathtaking mixture of colors, revealing the different life stages of their leaves. The surroundings are silent — as white and still as the snow itself. Her steps accompany her wish to be alone. Her soul shows her the way, sensing every movement of her body, every breath. The world feels empty, and yet she belongs to it. She inhales cold, silence, presence, joy.

She yodels and speaks to the Hoher Dock, that majestic mountain she has crossed twice before — at more than 3,500 meters, through nothing but barren, demanding rock terrain.

After about an hour and a half, she enters the rising, winding forest road that nestles beneath snow and icy traces. Sunlight and shadow alternate — the very principle of life seems present here. She looks forward to resting at the hut above, even considers spending the night there. But the 135-year-old hut is locked, as everything is locked here in winter.

So — no shelter, no warmth, only the end of a path, and before her a hard reality: the white, uneven, and extremely steep mountain ridge rising into the sky, the cold, and the silence.

Because she is on a journey of self-reflection, she recognizes herself in the landscape of her life: blocked, almost locked away, left out in the cold, abandoned. The state of her last three years mirrors itself in this moment — a condition between endurance and awakening, between stillness and the quiet conviction that one day the great door will open again. Not hope, but conviction!

On the same path back down, following her own footprints in the snow, she begins to see the parallel to the year 2021. 

Everything she once believed she had found and felt — closeness, warmth, love, and everything that belongs to a healthy, human relationship — had been shown to her as possible, offered to her, only to be withdrawn again very soon after.

Nothing is more painful than to have one’s basic human needs met through a game of attraction — only to be left afterward sitting in darkness.
To offer colors and to withdraw them turning everything into black&white ...

If only we would read more about human stories — if we would truly want to understand what our behavior inflicts upon others … if we would be willing to meet ourselves, to reflect … perhaps we would see things differently.

Everything had seemed transparent, reachable, within grasp — and yet distance and silence were used strategically and manipulatively, and the doors closed to her.
Life had offered signs, promises, hope — and yet she remained alone, because the other simply turned his back. She acknowledged it but ignored the consequences. She did not yet know that she was already standing before an endlessly thick, tall, abrupt, icy, deaf, white, emotionless wall.

In the following three years, she tried — in vain and to exhaustion — to climb that wall.
But a wall remains still. For there is no soul there, no emotion, no reciprocity. Only a dense barrier about which nothing can truly be said. Absolute emptiness.
In winter it becomes impassable — no path leads through, no shortcut exists.
One can only stand still, see the boundary, and accept that some paths cannot be walked; that nature, life, and reality impose their limits.

And when it comes to human relationships: it takes two to build one — but only one to destroy it.

The silence around her forces her to listen inwardly — to her own thoughts, her own presence. In this solitude, it becomes clear how much the outer world — and one’s own life — can only truly be experienced through inner awareness.

In such moments it also becomes clear why reading is more than entertainment.
Yes — people who do not read live differently.
And I do not mean the Sunday newspaper or the advertising flyers that fill our mailboxes.

Their thinking stands still — just as it does in those who never learn anything new; their brains begin to shrink.
Even the act of adapting to others — to people, situations, places, food, habits — is perceived as a threat and therefore rejected, often with aggression.

Whoever reads profound literature — the kind that challenges, even overwhelms — gains the capacity to tolerate ambivalence, contradiction, and strangeness in thought: capacities often absent in superficial engagement.
Reading creates inner spaces; it allows reflection beyond the surface, beyond immediate impressions.

To be continued …

About us_2nd Chapter

Now the pen lies before her, and for the first time in a long while she feels that she can reach for it again — not to write immediately, but to allow the movement itself, the one that murmurs: Consciousness still exists. You still exist.

The words through which we express our thoughts are like the very cells we are made of; they pass through pain, silence, and the feeling of devastation. Whoever reaches for them again does not begin from zero.
And so she begins again — with herself, with the memory that language, expression, attentiveness, and gratitude are means of self-rediscovery.

She sat down in the middle of the nearly frozen path, hidden beneath a thin layer of snow, and said aloud: “Thank you.
It was addressed to no one in particular — not a prayer, not an attempt to gloss things over. It was a simple, joyful sensation, an honest word, spoken amid the desolate cold, where nothing needed to be explained, nothing saved.
Perhaps it was the first true act of acceptance after years of resistance — a quiet acknowledgment that even what is destroyed has carried meaning, that silence was not emptiness but necessity.
The frozen path became a line between past and present, between all that she had lost and all that she would one day rediscover within herself.

The editor from the publishing house told her that she had devoured countless manuscripts and classics in her life, entering each book as if it were a small universe. Yet her writing style, she said, was something new — raw, intense, plunging deep, demanding, sometimes even overwhelming for the new minds of a society accustomed to faster stimuli and instant gratification.
People would rather scroll for minutes or hours through nonsense on social media, simply to distract themselves, because they can hardly bear their own company. Her writing, the editor said, demanded time, focus, the endurance of discomfort, self-reflection. And precisely in that lay its power: it required the reader to engage, to be attentive, and — most of all — to be willing to grow inwardly.

If people today would read the right books, our values and our behavior toward others could change for the better.
We would handle our words, our statements, and our gestures with greater care; our relationships would become healthier, more respectful, more honest, transparent, and loving.
We would realize that silence, instead of speaking, slowly but inevitably makes every kind of relationship vanish in pain.

But what does it even mean to read the right stuff?
Perhaps it is that kind of literature that does not merely entertain us on the surface but unsettles us — that forces us to think, to feel, to question in order to understand, so that we might become better, warmer human beings.
Books that do not serve as escape, but as mirrors in which we recognize ourselves and the world anew.
To read the right things means to allow oneself to be moved, to disturb one’s own comfort, to lose the familiar distance.

For whoever reads what is truly valuable, what instructs and deepens, encounters themselves.
And whoever meets themselves in depth can no longer remain indifferent to others.
Reading becomes a form of responsibility — toward one’s own thinking, toward language, toward life itself.

People who do not read live differently — illusorily lighter, simpler, because, at heart, they hide.
They run away.
They prefer to remain on the surface, in the airy lightness of avoidance.
And this often mirrors itself in their relationships, where their inability to adapt and their ignorance gain ground.
Their thinking reacts to stimuli, not to resonance.
That is why, in necessary, deep conversations, they feel quickly attacked and reject any form of objectivity.

Ask a person what they generally read — if they read at all — and you gain an overview of who you are dealing with.
Do not be deceived by the neatly arranged spines on their shelves; they may stand there, finely displayed, yet whether the person who lives there has truly read and understood them remains uncertain.
If they refuse to discuss the subjects of those books, it means they are incapable of translating any possible reading into real life.

In theory, we can do everything.
In practice, however, it becomes clear who truly thinks, feels, understands, applies — and who merely pretends to.

It would not be wrong to say that reading is a mirror of the human being.
It shows how deeply someone is willing to encounter themselves — without makeup, without defense, without fleeing into distraction.

And if we ask ourselves what a life without mirrors would be, we might begin by looking at a life without meaningful books — without that silent counterpart that questions us, that does not flatter, but looks back.
A life without mirrors is a life without self-image — and without the possibility of questioning that image.
One may continue to exist, to act, to function — but one no longer knows who one is, or how one has become.

Reading is the inner mirror.
Writing is the attempt to bring order to what is seen or thought.
Whoever does neither — neither reads nor writes — lives on the surface of the moment: reacts, but does not reflect.
And thus, as a society, we slowly lose access to ourselves.

To be continued

I'm WATCHing YOU!! :-)